EBENE ALPHA 




Die Wiederauferstehung
by Psycho Joker



Das Pfeifen des Windes war so laut, daß sie Kharrs Worte kaum verstand, aber sie konnte sich vorstellen was er ihr mitteilen wollte. Doch um sicherzugehen gab sie ein “Was?” zurück, Kharr schrie lauter und so konnte sie seine Worte verstehen: “Der Sturm wird zu stark! Wir können es bei diesem Wetter nicht wagen, den Aufstieg fortzusetzen! Lass uns hier unser Lager aufschlagen!!!” Sie wußte, daß er recht hatte, er hatte immer recht. Doch sie wollte nicht in ihrem Zelt warten bis dieser Sturm vorbei war, Kane hat sich bestimmt auch nicht von einem kleinen Sturm abhalten lassen seinen Tempel zu errichten. Aber sie mußte schließlich einsehen, daß es keinen Sinn machte sich weiter den Berg hochzuquälen und sich zu verirren. Sie war dem Ziel so nah und 12 Stunden mehr würden nicht die Welt ausmachen, außerdem war Geduld eine Tugend, wie ihr Vater immer gesagt hatte. Doch er hatte auch eingesehen, daß seine kleine Oxanna nicht sehr viel auf diese alte Weisheit gab. Oh Daddy, wieso bist du nicht hier? Wie soll ich all das bloß ohne dich schaffen?

Der alte Mann saß allein in seiner Hütte in seinem alten Stuhl und sah aus dem Fenster. Der Sturm draußen war zwar nichts besonders mehr für ihn - er hatte sich in den 30 Jahren der Isolation längst daran gewöhnt - doch er regte ihn immer wieder zum Nachdenken an. Diese Getöse und das Krachen und Donnern der Blitze, die den Nachthimmel wie helle Risse durchzogen. Es erinnerte ihn an die vielen Schlachten seines früheren Lebens, eines Lebens, das ihm so fremd schien, daß die Erinnerungen an jene Zeit schon beinahe verblasst waren. Aber manchmal, an stürmischen Tagen wie diesem, dachte er zurück an die Zeit, als er noch voller Euphorie in den Krieg zog. Er saß einfach nur da und sah aus dem Fenster. Und dann erinnerte er sich wieder, so verbrachte er oft Stunden vor diesem Fenster und starrte in den Nachthimmel. Und plötzlich kamen die Erinnerungen an diejenigen Ereignisse zurück, die er am liebsten für immer vergessen würde, doch er konnte nicht. Und so schreckte er auch dieses Mal auf und merkte, daß er müde war. Er wischte sich die Träne, die langsam über seine linke Wange rann, aus dem Gesicht und legte sich schlafen.

Oxanna schlief noch immer in ihrem Schlafsack als Kharr urplötzlich ins Zelt stürmte und sie wie verrückt rüttelte. “Wachen sie auf, Lieutenant! Es ist höchste Zeit, daß wir weitergehen.” Sie schreckte hoch und fragte nach der Uhrzeit. “7:28, Ma‘am.” Antwortete Kharr auf seine militärisch zackige Art, bei der Oxanna immer schmunzeln mußte. Corporal Winston Kharr war ein pflichtbewußter, ehrgeiziger und vor allem loyaler junger Mann, und Loyalität bedeutete alles in der Bruderschaft. Leider waren solche Männer wie Kharr in diesen schweren Zeiten rar gesäht. dachte Oxanna beiläufig. “Lieutenant, unsere Scanner haben vor ein paar Minuten 2 Banshees entdeckt.” “Sie suchen also schon nach uns.” “Ja, Ma‘am.” Sie beschloß, daß es besser war, so schnell wie möglich das Lager abzubrechen und den Aufstieg fortzusetzen. Sie lief aus dem Zelt und war erstaunt, daß der ganze Trupp bereits vor ihrem Zelt stand und ihre Befehle erwartete. Sie gab ein paar Anweisungen und sofort herrschte Bewegung im kleinen Zeltlager. Innerhalb von 3 Minuten war das Lager abgebaut und die ganze Truppe marschbereit. Als alle Hinweise auf einen Lagerplatz beseitigt waren, setzten sie den Aufstieg fort.

Colonel McBraid saß an seinem Schreibtisch und las gerade ein paar Berichte durch, als sein Erster Offizier Jeron Dentrell durch die Tür hereinplatzte. “Nummer Eins, hat man ihnen bei ihrer Ausbildung nicht beigebracht, anzuklopfen, bevor man das Büro eines vorgesetzten betritt?”
“Verzeihung, Sir. Aber wir haben einen Hinweis auf diese kleine Gruppe, nach der wir schon seit Tagen suchen.”
“Was für Hinweise? Reden sie Klartext, Mann!”
“Einer unserer Piloten hat bei einem Routine-Aufklärungsflug etwas entdeckt. Er glaubt ein kleines Zeltlager gesehen zu haben, ist sich aber nicht so sicher, da er sehr hoch geflogen ist.”
“Lassen sie sich die exakten Koordinaten geben und schicken sie sofort einen Aufklärungstrupp dorthin!”
“Ja, Sir.”
Dentrell verließ im Eilschritt das Büro. McBraid bemerkte erst jetzt, daß er vor Aufregung aus seinem Sessel gesprungen war, er setzte sich zurück, drehte sich und sah nun direkt auf das herrliche Panorama vor der Basis. Diesmal entkommst du mir nicht, Oxanna! dachte er und der Gedanke diese Verräterin bald in seiner Gewalt zu haben, zauberte ein Lächeln auf sein ansonsten strenges und unnachgiebiges Gesicht.

Seit ihrem Aufbruch waren inzwischen schon 6 Stunden vergangen. Oxanna fragte sich, ob dieser alte Mann, den sie suchten überhaupt noch am Leben war, er könnte auch schon seit Jahren tot sein. Innerlich hoffte sie, daß dem nicht so sei, denn sie wollte nicht ihr Leben und das dieser 13 loyalen Männer für einen Toten riskieren. Sie waren ja nicht gerade ein geringes Risiko eingegangen, um sich auf die Suche nach diesem alten Veteran zu machen, eine ganze Nod-Garnison fahndete nach ihnen und sollten sie in die Hände von Colonel McBraid fallen würde sie kein allzu angenehmes Schicksal ereilen. Auf jeden Fall hatten sie in den letzten 4 Tagen ein ganz schön großes Stück zurückgelegt. Und in Anbetracht ihres Tempos würden sie höchstens noch 3 Tage brauchen. Sie hoffte bloß, daß dieser Mann auch all die Strapazen wert war, aber wenn sie sich auf die Worte ihres Vaters vertrauen konnte(und das konnte sie felsenfest!), dann war dieser Mann eine lebende Legende, das heißt, wenn er denn nicht eine tote Legende war. Sie konnte es sich aber bei all der Hoffnung nicht erklären wie dieser Mann ihnen helfen könnte, er war ja nicht mal mehr in der Bruderschaft und außerdem mit den anderen Mitgliedern der Kerubim von General Hassan persönlich für “im heldenhaften Kampf für die Freiheit der Welt gefallen” erklärt worden. Aber es würde sich zeigen, ob ihr Vater Recht behalten hatte und, im Namen von Kane, sie hoffte, daß dem so war.

Es war bereits nach Mittag als der alte Mann von der Sonne geweckt wurde. Er richtete sich auf und rieb sich die Augen, anschließend ging er vor seine Hütte und begann im kniehohen Schnee Liegestütze zu machen. “Egal wie modern und tödlich die Waffen sind, es kommt immer auf den Kämpfer an!” Das hatte ihnen ihr Ausbilder immer eingehämmert und ein Kämpfer muß immer topfit sein, um zu überleben. Der alte Mann versuchte sich krampfhaft daran zu erinnern, wie dieser Ausbilder wohl geheißen haben mag...Tarkin! Genau, das war der Name! erinnerte er sich.

“Deckung! Ein Harpy!” schrie einer der Männer und sofort warfen sich alle in den Schnee. Verdammte Scheiße! Die müssen unseren Lagerplatz entdeckt haben. Dachte Oxanna und unterdrückte einen Fluch. Naja, solange er nur vorbeifliegt geht ja alles gut. versuchte sie sich gut zuzureden.

“Setzen sie ihren Flug fort und erstatten sie Meldung, sollten sie etwas entdecken!” dröhnte es aus dem Funkgerät, wobei es bei jedem Laut ein Rauschen gab. Der Empfang hier oben im Gebirge war nicht besonders, sogar wenn das Funksignal nur eine Distanz von etwa 5 km überwinden muß. Mit einem knappen “Zu Befehl!” beendete Azuro Kurosawa den Kontakt. Diese Übungs- und Aufklärungsflüge waren sowas von langweilig, nie passierte irgend etwas. Er hoffte inständig, endlich mal an einem Kampfeinsatz teilnehmen zu können. Aber als pflichtbewußter Pilot der Nod-Luftwaffe hatte er Befehlen zu gehorchen. “Na dann wollen wir mal schauen, ob wir nicht irgendwo eine GDI-Kommandozentrale finden, was Turner?!” Sein Kopilot antwortete mit einen Grinsen. “Ja, Sir!”
Sie flogen ungefähr 1 Stunde herum, bis Kurosawa etwas am Berghang entdeckte.
“Nanu? Was haben wir denn da?” dachte er laut. “Turner, sehen sie diese Gruppe da unten auf dem Ortungsgerät?”
“Nein, Sir. Der Schirm zeigt nichts an.”
“Dann gehen wir mal näher ran und sehen uns die an.”
Er brachte seine Maschine auf ungefähr 100 m runter. Dann erkannte er, daß es sich bei dem Objekt um einen kleinen Trupp Soldaten, so ungefähr 10 bis 15 Mann, handelte. Den Uniformen nach waren sie Nod-Soldaten.
“Taures 1 an Tschulei-Basis, Taures 1 an Tschulei-Basis. Bitte kommen, Tschulei-Basis!”
“Hier Tschulei-Bodenkontrolle, was gibt’s neues Taures 1?”
“Wir haben hier eine nicht identifizierte Gruppe. Gibt es irgendwelche Informationen über ein Aufklärungsteam in Sektor Kappa 9?”
“Negativ, Taures 1. Versuchen sie mit ihnen Kontakt aufzunehmen und erstatten sie Meldung. Vielleicht hat sich ein Patrouille-Team verirrt.”
“Verstanden, Tschulei, Taures 1 Ende.”
Kurosawa schaltete um auf Frequenz 9085.342, das war die Standardfrequenz aller Nod-Bodentruppen der Tschulei-Garnison. “Unidentifizierte Gruppe, hier spricht Leutenant Azuro Kurosawa von den Nod-Luftstreitkräften. Identifizieren sie sich oder wir eröffnen das Feuer!” Es verstrichen einige Sekunden ohne Antwort. Azuro wederholte seinen Funkspruch und erhielt prompt eine Antwort. “Hier spricht Leutenant Francis Prushenkov, Nod-Infanterie. Wie können wir ihnen behilflich sein?” “Nennen sie uns ihren Befehl und Zielort, soweit ich weiß dürften hier keine Infanterie-Einheiten herumwandern.” Wieder verstrichen ein paar Sekunden, Kurosawa vermutete, daß diese Verzögerung an den heftigen Stürmen lagen. Er wollte seine Frage gerade wiederholen als er die Antwort erhielt. “hier ist wieder Prushenkov, wir haben Befehl von Kane persönlich, alle Verräter an der Bruderschaft in seinem Namen zu bestrafen!” Vollkommen verwirrt sah er vor zu seinem Kopiloten, auch dieser schien etwas überfordert zu sein. Kurosawa wollte gerade nachfragen, was diese verrückte Antwort solle, als er plötzlich erkannte, daß einer der Soldaten mit etwas auf seine Maschine zielte. Plötzlich schoß es ihm durch den Kopf. “Scheiße, das ist ‘ne Stinger 02!!!” Schrie er erschrocken, doch es war schon zu spät, er sah bereits, wie der Flugkörper auf ihn zugerast kam. Vielleicht waren diese Aufklärungsflüge doch nicht so langweilig dachte er. Dann gab es einen lauten Knall...
“Guter Treffer, Garris!” gratulierte Kharr einem seiner Männer. Er schmunzelte immer noch, wenn er sich an diesen letzten Funkspruch von Lieutenant Oxanna erinnerte. Eine wirklich bemerkenswerte Frau! Dachte er bei sich. “OK Jungs, es wird Zeit, unseren kleinen Ausflug fortzusetzen!” hörte er sie in diesem Augenblick rufen.


Es klopfte an der Tür zu Colonel McBraids Büro. Sein Erster Offizier Dentrell trat ein. “Was ist los, Nummer Eins?”
“Sir, einer unserer Harpies wird vermisst.”
“Das bedarf ja wohl nicht meiner Aufmerksamkeit, oder?!”
“Sir, in seinem letzten Funkspruch erwähnte der Pilot etwas von einer nicht identifizierten Gruppe, die sich in Sektor Kappa 9 aufhielt.”
“Kappa 9? Haben wir dort nicht auch diesen verlassenen Lagerplatz entdeckt?”
“Ja, Sir.”
“Gut, dann wissen wir jetzt, wo sie hinwollen. Schicken sie sofort eine Division Soldaten dort hin verstärken sie die Aufklärungsflüge in Kappa 9. Die Piloten sollen bei Kontakt kein Risiko eingehen und Verstärkung rufen.”
Zu Befehl, Colonel!” antwortete Dentrell, salutierte und verließ McBraids Büro.
Gut gut, sie will also auf diesen Berg. Aber wieso? Was hofft sie dort oben zu finden? Es war Colonel McBraid ein Rätsel was Lieutenant Oxanna dort zu tun gedachte. Aber sie würde es ihm später beim Verhör selbst sagen, dieser Gedanke erfüllte ihn mit Freude. Er wandte seine volle Aufmerksamkeit nun wieder den aktuellen Berichten zu, denn was auch immer er machte, er machte es gründlich.
McBraid war ganz in seine Berichte vertieft, als er plötzlich ein, ihm nur zu bekanntes Geräusch vernahm, es war ein Transmissions-Signal. Er drehte sich zu seinem Schreibtisch um und stellte die Verbindung durch einen Knopfdruck auf sein Interface her. Auf dem Monitor erschien das Abbild eines streng dreinblickenden Mann mittleren Alters. Er hatte ein bräunliches Gesicht und pechschwarzes kurzgeschnittenes Haar, er trug die Uniform eines Nod-Generals und McBraid erkannte ihn sofort.
“General Hassan. Welch‘ eine Ehre.” begrüßte McBraid ihn mit erstauntem Gesicht.
“Colonel McBraid.” antwortete Hassan ihm mit einem kurzen Kopfnicken.
“Wie kann ich euch dienen, General?”
“Es geht um diese Gruppe von Verrätern, die sich in Sektor Kappa 9 herumtreibt.”
McBraid war vollkommen überrascht, er hatte nicht die geringste Vorstellung, woher General Hassan diese Information haben könnte. Doch er ließ es sich nicht anmerken. Er blickte mit gelassener Miene auf den Monitor.
“Ah ja. Was genau wünscht ihr zu wissen, General?”
“Sind die Identitäten der Verräter bekannt?” McBraid zögerte einen Augenblick. Sollte er Hassan Oxannas Identität nennen? Er wollte nicht, daß Hassan sie in die Finger bekam, jedenfalls nicht bevor er nicht eine Rechnung mit ihr beglichen hatte. Er war sich sicher ein Anrecht auf Rache zu haben.
“Nein, Sir.”
“Was wissen sie über sie?” McBraid holte tief Luft.
“Nun, unsere Ermittlungen befinden sich in einem frühen Stadium, daher kann ich ihnen noch nicht viel sagen. Wir wissen, daß es sich um eine Gruppe von 10 bis 15 ehemaligen Nod-Soldaten handelt und daß sie zuletzt am Hang des Mount Kane gesichtet wurden.”
“Hmm.” Hassan blickte nachdenklich “Was könnten sie dort oben wollen?”
“Das ist uns auch ein Rätsel.”
“Ist dieser Berg bewohnt?”
“Nun ja, die Mönche den Panghai-Klosters erzählten uns einmal von einem alten Mann der dort oben in einer Hütte zu wohnen scheint. Aber der ist wahrscheinlich schon seit Jahren tot.”
“Mich interessiert ihre persönliche Meinung nicht, Colonel!” ,erwiderte Hassan verärgert blickend. Er schwieg einen Moment und schien sich dann plötzlich wieder dem Bildschirm zu. “Ich will, daß sie sofort einen Trupp Soldaten zu diesem Kerl schicken. Wenden sie ein Mindestmaß an Gewalt an, ich will ihn lebend, sollte er nicht schon von uns gegangen sein.”
“Wie ihr befehlt, General.” Antwortete McBraid und verbeugte sich leicht. Hassan wollte die Verbindung gerade unterbrechen, als er plötzlich inne hielt. Er sah McBraid eine lange Sekunde lang an und auf einmal erschien ein ironisches Grinsen auf seinem Gesicht.
“Ach übrigens...”
McBraid blickte gespannt auf den Monitor.
“Hübsche Narbe, die sie da haben.”
Er lächelte und unterbrach die Verbindung.
McBraid hasste es, wenn jemand solch sarkastische Bemerkungen über die Narbe, die sich durch sein Gesicht zog, machte und Hassan wußte das. Aber was konnte er schon dagegen tun? Hassan war der Führer der Bruderschaft. Er wandte sich wieder seinem Monitor zu und drückte ein paar Knöpfe der Benutzeroberfläche, die in seinen Holzschreibtisch eingearbeitet war. Der Bildschirm flackerte und es erschien das Bild von Captain Choukon. Er salutierte sofort. McBraid machte sich nicht viel aus Höflichkeitsfloskeln, jedenfalls nicht wenn er mit einem Untergebenen sprach.
“Captain Choukon, stellen sie umgehend eine Division ihrer besten Männer zusammen. Ich erwarte sie marschbereit in einer Stunde auf dem Exerzierplatz. Und schicken sie die Besatzungen zu ihren Panzern!”
“Jawohl, Sir!”
Choukon salutierte knapp und McBraid beendete die Verbindung.

Seit dem Zwischenfall mit dem Harpy waren nun schon 3 Stunden vergangen. Die kleine Gruppe bewegte sich nun schon im Schnellschritt, denn alle wußten, daß es in diesem Gebiet sehr bald von Aufklärungsteams nur so wimmeln würde. Oxanna war in Gedanken versunken, sie musste immer an diesen alten Mann denken. Wie mochte er wohl aussehen? Wie würde er auf sie und ihre Bitte reagieren? Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Kharr sie ansprach.
“Lieutenant, wir sollten kurz anhalten. Die Männer sind erschöpft, so können wir nicht weitermarschieren.”
“Na gut, aber höchstens eine halbe Stunde.”
“Ja, Ma’am!” Kharr rannte zurück zu den anderen und erteilte ihnen rasch ein paar Befehle. Alle setzten sich in den hohen Schnee, tranken einen Schluck oder aßen einen Bissen der Notrationen (mehr als einen Bissen auf einmal davon zu essen grenzte an Folter). Einer hielt immer Wache.
Plötzlich kam der Wachhabende zu Oxanna gerannt.
“Lieutenant, da kommt jemand.”
“OK Leute, alles in Deckung, wir kriegen Besuch.”
Alle warfen sich in den Schnee und behielten ihre Gesichter tief, so daß keiner etwas sehen konnte. Doch Oxanna hörte die Schritte im Schnee. Als das Geräusch nahe genug war, erhob sie sich, sprang in die Richtung, aus der sie Schritte kamen, warf den Mann zu Boden und zielte mit der Pistole auf ihn. Sie atmete erleichtert aus, als sie erkannte, daß der Angreifer bloß ein tibetanischer Mönch war. Doch sie sah diesen verwundert an, als dieser zu sprechen begann.
“Bitte nicht schießen!”
“Sie sprechen unsere Sprache?”
“Ja ich eure Sprache sprechen, aber bitte sie nicht mit Waffe auf mich zielen, ich kein GDI-Spitzel sein.”
Oxanna lächelte und half dem Mann hoch.
“Keine Angst, ich werde sie nicht erschießen. Wir suchen jemanden.”
“Oh, nun ich euch vielleicht helfen können. Ich viele Menschen hier in Gebirge kennen.”
“Wir wissen bereits wo wir ihn finden können, wir sind auf dem Weg zu ihm.”
“Hm, ihr etwa suchen Kerubim?”
“Was? Kerubim? Woher kennen sie diesen Namen??”
Der Mönch lächelte stolz.
“Wie bereits gesagt, ich kennen viele Menschen hier in Gebirge und ich wissen, daß auf diesem Berg nur ein Mann wohnen. Alter Mann, Einsiedler er ist.”
Oxanna hatte keine Zweifel daran, daß der Mann, den dieser Mönch gerade beschrieb, derjenige war, den sie suchten.
“Lebt er noch?”
“Ich nicht wissen genau. Aber ich denken schon. Sein sehr lange her seit ich ihn gesehen zum letzten Mal.”
“Könnten sie uns zu ihm bringen?”
“Aber sicher ich könnte. Da sie mich nicht erschossen, ich sie zu ihm bringen. Moment, sie doch nicht etwa ihn erschießen wollen?”
“Nein nein. Er war ein Freund meines Vaters.”
“Nun gut, dann sie mir folgen.”
So hatten sie nun einen ortskundigen Führer, der sie sicher zu dem alten Mann bringen würde. Der Tibeter ging voraus, Oxanna und ihr Trupp folgten ihm. Nach einigen langen Stunden Fußmarsch erreichten sie eine Stelle, die nicht so steil wie der Rest des Berges war. Der Tibeter zeigte mit dem Finger in eine Richtung.
“Dort sie finden Hütte von alten Mann.”
Oxanna bedankte sich nochmals bei dem Mann und dieser machte sich dann wieder auf den Heimweg. Sie gingen langsam in die Richtung, welche ihnen der Tibeter angezeigt hatte. Nach einer Minuten erkannte sie in 20 m Entfernung eine Hütte. Sie war nicht leicht erkennbar, da sie fast zur Gänze mit Schnee bedeckt war.
Als sie an der Tür angelangt war, pochte ihr Herz. Sie hob den Arm und klopfte an.
Keine Antwort.
Sie versuchte es erneut und wieder öffnete niemand die Tür. Schließlich beschloß sie, die Hütte zu betreten. Sie öffnete ganz vorsichtig die Tür, die ächzend nachgab. Sie setzte langsam einen Schritt in die Hütte.
“Hallo? Ist hier jemand?”
Es herrschte absolute Stille in dem stockdunklen Raum. Sie zückte ihre Taschenlampe aus einer der Taschen ihres Overalls und knipste sie an. Oxanna streckte die Hand mit der Taschenlampe in die Hütte und leuchtete alles aus. Nichts. Plötzlich spürte sie, wie etwas oder jemand ihren Arm packte und sie ins Innere der Hütte zog. Die Taschenlampe fiel auf dem Boden und ging kaputt. Es war nun stockdunkel, sie konnte nicht das geringste sehen, doch sie hörte ein Poltern. Sie blickte in Richtung Tür und sah wie diese gerade mit einem Krachen zufiel und dem darauffolgenden Geräusch nach zu urteilen wurde sie mit irgendwas schwerem verbarrikadiert. Sie hörte einige Schritte und spürte wie eine Faust sie auf der linken Gesichtshälfte traf. Alles begann zu schaukeln, vor ihren Augen tanzten bunte Punkte und ehe sie wußte wie ihr geschah, krachte sie mit dem Kopf auf den Boden. Dann wurde alles schwarz...


Der alte Mann saß auf einem Stuhl. Er hatte inzwischen wieder das Licht angemacht und erkannte nun den Angreifer. Es war eine junge Frau. Er war sehr erstaunt gewesen, eine so hübsches junges Ding in dieser Einöde zu treffen, oder gar K.O. zu schlagen. Sie lag auf dem Holzboden und war noch von seinem Schlag benommen. Doch wie auf Knopfdruck fuhr sie hoch und sah sich verwundert um. Dann erblickte sie ihn und sah ihn einige Sekunden lang an. Keiner sagte etwas, sie schwiegen sich an. Plötzlich begann sie zu reden.
“Sind sie...Slavik?”
Vor Verwunderung über diese Frage riss er die Augen weit auf. Er hatte erwartet, daß sie als erstes danach fragen würde, wo sie sei oder wer er sei, aber auf diese Frage war er nicht vorbereitet gewesen. Seine Züge entspannten sich wieder.

“Slavik...”, sagte er in einem fast träumerischen Tonfall. Seine rauhe Stimme und der ruhige Tonfall vermittelten einen Eindruck von Gelassenheit.
“...diesen Namen habe ich schon seit...Jahrzehnten...nicht mehr gehört...”
Er schien sich in einer anderen Zeit zu befinden. Er starre einfach nur geradeaus auf die nackte Holzwand. Während er so in Erinnerungen versunken schien. Kam Oxanna plötzlich ein Gedanke. Wieso bin ich alleine hier? Wo sind die anderen?
“Wo sind meine Männer?” Sie versuchte so bedrohlich wie möglich zu klingen. Der alte Mann sah sie nicht einmal an, während er ihr antwortete.
“die sind draußen und versuchen irgendwie reinzukommen.”
“Wie lange war ich...weg?”
“Oh, nur ein oder zwei Minuten.”
“Was?”, erfuhr es Oxanna verwundert, “Und meine Männer haben es noch nicht geschafft, diese armselige Hütte zu Stürmen??”
“Passen sie auf, was sie sagen! Diese ‚armselige Hütte‘ hatte einst Kane nach seinen Spezifikationen bauen lassen. In den Wänden befindet sich eine 2cm dicke Kevlarschicht, die noch dazu von beiden Seiten mit einer 4cm-Betonschicht umgeben. Die Holzverkleidung ist nur Tarnung. Da kommt nichts und niemand rein!”
“Und Kane hat in dieser Hütte gewohnt?”
“Nein, nicht hier, er hatte seinen Aufenthaltsraum weiter im Inneren des Berges in einer geheimen Basis. Die ist jedoch bei einem Erdbeben zusammengestürzt.”
“Unglaublich.”
“Aber ich bin mir sicher sie sind nicht hier, um mit mir ein Schwätzchen über verlassene Nod-Basen zu halten. Was macht eine so hübsche junge Frau wie sie in dieser Einöde hier?”
Irritiert von den plötzlichen Themenwechsel richtete sie ihre Blicke erneut auf ihn. Er hatte immer noch denselben gelassenen Gesichtsausdruck. Sie errötete leicht wegen des Kompliments, sie hatte nicht erwartet, daß dieser Slavik ein derartiger Charmeur sei würde. Naja, wenigstens würde rot gut zu dem blauen Bluterguss unterhalb ihres linken Auges passen. Just in diesem Augenblick bemerkte sie, daß sie bei der ganzen Aufregung den pochenden Schmerz nicht bemerkt hatte.
“Ich werde ihnen alles erzählen, wenn sie vorher meine Männer reinlassen.”
“Aber natürlich, wo bleiben meine Manieren.”
Mit einer unglaublichen Leichtigkeit schob er das Möbelstück, das irgendwie wie eine Kommode aussah, vor der Tür weg und öffnete diese.

Eine Stunde später saßen Oxanna, Kharr und Slavik um einen kleinen Tisch. Der alte Mann hatte ihnen etwas Warmes gekocht, sie wußte nicht was genau es war und sie wollte es auch nicht wissen. Hauptsache es war keine dieser Rationen. Der Rest der Männer saß auf dem Boden, schlief oder spielte Karten. 2 Wachposten hielten Nachtwache vor der Tür.
Es war inzwischen ein wenig heller - Slavik hatte eine weitere Lampe eingeschaltet - und nun konnte sie zum ersten Mal sein Gesicht deutlich sehen. Es war unter dem zotteligen, schulterlangen Haar kaum erkennbar. Doch sie erkannte seine markanten Gesichtszüge, ihr fiel eine Narbe unter dem linken Auge auf, sie schien schon einige Jahre alt zu sein. Überhaupt machte Slavik einen guten Eindruck, man konnte ihm die 58 Jahre kaum ansehen, er hatte mehr das Aussehen eines Dreißigjährigen. Nur seine langen Haare und der blonde Bart wiesen auf sein tatsächliches Alter hin. Sie und Kharr saßen eine Weile einfach nur so da, aßen und starrten ihn an. Zwar bemerkte Slavik das, doch es schien ihm nicht das geringste auszumachen. Es saß ruhig da, blickte nur auf seinen Teller und löffelte seine Suppe. Schließlich entschied sie, den ersten Schritt zu machen. Sich etwas unbehaglich fühlend, fragte sie ihn: “Standen sie Kane sehr nahe?”
“Ja.”
“Was war ihre Aufgabe?”
“Wir hatten die Aufgabe, Kane notfalls unter Einsetzung unseres Lebens zu schützen.”
“Wie lange standen sie in seinem Dienst?”
Der alte Mann hielt einen Augenblick inne, sah dann erstmals zu ihr hoch und musterte sie. Sie fühlte sich etwas unbehaglich, als dieser Mann sie mit seinem eindringenden Blick ansah und es gelang ihr nicht besonders gut, dieses Unbehagen zu verbergen.
“Was wollen sie wirklich von mir?”
Seine Direktheit überrumpelte sie, sie überlegte, wie sie ihre Bitte formulieren sollte.
Kharr schien ihre Not zu bemerken und meldete sich zu Wort.
“Wir möchten sie um ihre Hilfe ersuchen!”
Der alte Mann ließ seinen Blick auf Oxanna, was diese nur noch mehr verunsicherte.
“Wozu benötigen sie die Hilfe eines alten Mannes, wo sie doch Soldaten haben?” fragte er schließlich.
“Wir wollen die Bruderschaft von Nod wiederherstellen!” brachte Kharr euphorisch ein. Er dachte wohl, daß ihr Ziel Slavik, davon überzeugen würde, sich ihnen anzuschließen.
“Sie sind Nod-Soldaten? Ich dachte immer, Nod wäre unter einem neuen Anführer wiedererstarkt.” er blickte nun zum ersten Mal auf Kharr.
“Das stimmt auch, jedoch ist General Hassan...” weiter kam er nicht.
“Hassan?” Slavik sprang von seinem Stuhl, er schien schockiert zu sein. Zum ersten Mal seit Oxanna ihn sah, konnte der alte Mann seinen gelassenen Ausdruck nicht beibehalten.
“Rafik al Hassan?” fragte er weiter.
“Ja, General Rafik al Hassan.” Antwortete Kharr.
Slavik ließ sich langsam wieder auf seinen Stuhl sinken. Er starrte ins nichts. Plötzlich tauchte ein ironisches Grinsen auf seinen Gesicht auf.
“Aha, anscheinend herrscht in der Bruderschaft ein derartiger Offiziersmangel, daß man sogar schon Verräter zum General befördert.” Seine Stimme war zynisch und voller Spott.
“Manche glauben sogar, daß er unsere Geheimnisse an General Solomon verrät.” Meldete sich schließlich Oxanna zu Wort.
“Solomon?”
“Der Oberbefehlshaber der GDI.”
“Ach so. Nun ja, es wäre nicht das erste Mal, außerdem kann er keine wirklich wichtigen Geheimnisse verraten haben. Er hatte immer nur Zugang zu Informationen der Stufe 6. Nichts von Bedeutung.”
“Sie scheinen das ja ziemlich gelassen zu nehmen. Machen sie sich keine Sorgen um die Bruderschaft?” Oxanna bemühte sich, empört zu klingen.
“Warum sollte ich? Ich bin schon lange nicht mehr ‚dabei‘, außerdem bin ich offiziell tot. Wußten sie das nicht?”
Er war inzwischen aufgestanden und schaute aus dem Fenster.
“Slavik, hören sie...” wollte Oxanna beginnen.
“Nennen sie mich nicht so!” schrie er dazwischen, “Es gibt keinen Slavik mehr, Slavik ist tot. Er ist vor 30 Jahren in Sarajevo ums Leben gekommen.”
“Aber...”, Oxanna schien verwirrt, “Wie soll ich sie dann nennen?”
“Nennen sie mich doch ‚alter Mann‘.” seine Stimme verriet bitteren Sarkasmus.
“Nun gut,...alter Mann...wie gesagt, wir benötigen ihre Hilfe.”
“Und ich habe gesagt, sie sollen sich das aus dem Kopf schlagen!”
“Wenn sie es schon nicht für die Bruderschaft tun wollen, dann tun sie es für Kane!” Oxanna hoffte, daß er sich Kane noch verpflichtet fühlte.
Er schwieg einige Augenblicke, dann brach er plötzlich in schallendes Gelächter aus. Oxanna und Kharr sahen sich verdutzt an. Das hatten sie nun beim besten Willen nicht erwartet.
“Kane ist tot, meine Liebe”, sagte er in einem Anflug von Sarkasmus, “Hat man ihnen das nicht gesagt? Oder wird ihnen nach 30 Jahren tatsächlich noch erzählt, Kane würde sich nur in einem unterirdischen Bunker verstecken und die Bruderschaft durch Hassan führen?!”
“Natürlich nicht!” gab sie mit ernster Stimme zurück und versuchte gekränkt zu wirken, “Aber Kane wird zurückkehren. Das wissen wir!”
Er schüttelte den Kopf.
“Wer hat ihnen das bloß erzählt.”
“Mein Vater. Sie kennen ihn.” Er schien neugierig geworden zu sein.
“Wie heißt ihr Vater?”
“Nun er nannte sich Raùl Kristos. Doch zu der Zeit als sie sich kannten, hieß er Kray.”
Er drehte den Kopf und sah sie wieder mit diesem durchdringenden Blick an. Wahrscheinlich fragte er sich, ob sie wohl die Wahrheit sagte.
“Wie geht es ihm?”
“Er ist tot. Er wurde vor einigen Wochen von Nod-Soldaten erschossen.”
“Nod-Soldaten? Ich dachte sie wären auch Nod-Soldaten.”
“Er wurde von Hassans Leuten ermordet, da er der Anführer von ,Besahi Nod‘ war.”
“ ‚Die wahren Nod‘? Was soll das denn bitte bedeuten?”
“Sie sprechen die alte Nod-Sprache?” fragte Oxanna erstaunt. Sie erntete dafür einen abfälligen Blick von Slavik. Natürlich kennt er die, er war ja mal einer von Kanes engsten Vertrauten. dachte sie bei sich und verfluchte sie für ihre Kurzsichtigkeit.
“Verzeihung.” Entschuldigte sie sich leise und senkte dabei unbewußt ihren Kopf um ein paar Millimeter.
“Schon gut.”
“Er starb für Kane.”, versuchte sie, wieder zum eigentlichen Thema zurückzukommen, “Und wir würden das auch falls nötig!”
“Sie? Sie glauben allen Ernstes zu wissen, was es heißt, für Kane zu kämpfen und zu sterben?” bemerkte er in einem abfälligen und etwas aufgeregten Tonfall. Doch er hatte sich unter Kontrolle.
“Nun ja...äh...was ist denn so...falsch...daran?” brachte sie knapp heraus.
“Wie wollen sie wissen, was es heißt für Kane zu kämpfen? Sie kennen ihn doch nur von Bildern und Videoaufzeichnungen! Sie haben ihn noch nie in ihrem Leben persönlich getroffen, geschweige denn mit ihm geredet! Oh nein, sie wissen nicht im geringsten was es bedeutet, Kane zu dienen!”
Einige Minuten lang herrschte absolute Stille. Er stand einfach nur so da und sah aus dem Fenster, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Dann, ohne ein Wort zu sagen, ging er durch eine Tür in einen anderen Raum und ließ sie einfach allein. Oxanna verfluchte sich für ihre Dummheit. Wie kann ich mich und die anderen nur mit Männern wie ihm und Daddy vergleichen?! Wie konnte ich nur so eingebildet sein? Kharr schien ihre Verärgerung zu bemerken.
“Es war nicht ihre Schuld, Lieutenant. Keiner von uns hätte gedacht, daß er so reagieren würde. Wir haben uns wohl hinsichtlich seiner Motivation geirrt.”
Oxanna hörte ihm gar nicht richtig zu. Sie hatte nur einen Gedanken: Zu retten, was noch zu retten ist. Sie ging ebenfalls auf diese Tür zu und öffnete sie...und blieb an der Türschwelle stehen. Sie war überwältigt. Der Raum war um einiges größer als sie sich erwartet hatte. Er war ungefähr 2 m hoch, die Wände waren alle schwarz, nur der Boden bestand aus einem, ihr unbekanntem, Material, das man am besten als eine Art roten Marmor beschreiben konnte. Auf dem Boden war das Symbol der Bruderschaft von Nod abgebildet. Am anderen Ende des Raumes hing eine große Fahne, sie war rot und bildete einen Kontrast zu der dahinterliegenden Wand. Auf ihr war ein Symbol abgebildet, zwar kam es ihr irgendwie bekannt vor, jedoch kam ihr nicht in den Sinn wo sie es schon mal gesehen haben könnte. Auf der Fahne prangte ein schwarzes Nod-Symbol, das von einem Schwert, welches wiederum zu brenne schien, durchbohrt wurde. Darunter war etwas in seltsamen Schriftzeichen geschrieben, doch sie vermochte die Schrift nicht zu entziffern. Unter der Fahne hing ein 1*1,5 m großes Abbild von Kane an der Wand. Es war wirklich zutiefst beeindruckend.
Ungefähr 6 m von der Tür entfernt sah sie eine schwarze Gestalt, es war Slavik. Er blickte auf das Bildnis Kanes, die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Und als ob er ihre Gedanken lesen könnte, hörte sie seinen Stimme. “Treten sie ein...wie ist eigentlich ihr Name?” Seine Stimme klang sanft nicht mehr verärgert. Er schien sich inzwischen beruhigt zu haben.
“Lieutenant Oxanna Kristos, Sir”
“Nun gut, Lieutenant Oxanna Kristos”, sagte er in einem fast spöttischen Tonfall, er schien sich über ihre militärische Präzision lustig machen zu wollen, “Verraten sie mir etwas: Wieso wollen sie ein Nein nicht einfach akzeptieren?”
“Ich habe es jemandem versprochen.”
“Wem?” Seine Stimme verriet weder Neugier noch Desinteresse.
“Meinem Vater.” Sie unterdrückte eine Träne als sie sich unweigerlich daran erinnerte, wie sie ihrem Vater, der in seinem eigenen Blut lag, versprechen mußte, daß sie alles in ihrer Macht stehende tun würde, um die Bruderschaft wiederzuvereinigen.
“War das kurz vor seinem Tod?” Seine Stimme klang nach wie vor gelassen, nichts schien ihn aus der Ruhe bringen zu können.
“Ja.” Er schwieg eine Weile, bevor er antwortete. “auch ich habe einmal jemandem ein solches Versprechen gegeben...doch ich konnte es nicht halten.”
Oxanna sagte kein Wort. Und so standen sie da, sie blickte auf den Boden und er starrte unentwegt auf Kanes Abbild. Schließlich brachte sie eine Frage heraus.
“Was ist das für ein Raum?”
“Das ist sozusagen der Hintereingang zur Mount Everest- oder, wie sie jetzt heißt, Mount Kane-Basis.”
“Ziemlich schlecht geschützt.”
“Der Schein trügt. Das ist normalerweise bei jeder Nod-Basis so, was sie als Lieutenant eigentlich wissen sollten. Im Fels neben der Hütte befindet sich ein Obelisk, er ist deaktiviert, wie er es immer war. Es kam nie zu einer derartigen Notsituation, daß der Einsatz des Obelisken vonnöten gewesen wäre.”
“Interessant.” Mehr brachte sie nicht heraus. Woher weiß er das bloß alles? Wieder ertappte sie sich, wie sie diesen unscheinbaren “alten” Mann unterschätzte.
Plötzlich zerriss ein Piepen ihre Gedanken. Es war das akustische Signal ihres Komms. Die Wachposten hatten etwas oder jemanden entdeckt.
Sie hastete aus dem Raum und rannte fast gegen den Corporal Kharr, der gerade Meldung erstatten wollte.
“Was ist los?”
“Lieutenant, unsere Wachposten haben eine Division Soldaten und 2 Panzer entdeckt, die sich auf unsere Position zubewegen. Colonel McBraid hat uns gefunden.” Sie las Besorgnis und Ernst in seinem Gesichtsausdruck. Er wußte genauso gut wie sie, daß sie keine Fluchtmöglichkeit hatten.
“OK Jungs, alle Mann in Kampfbereitschaft, die Verräter haben uns aufgespürt!”
Sofort herrschte reger Betrieb in der kleinen Hütte. Alle luden ihre Waffen nach und rannten nach draußen, um sich eine geeignete Deckung zu suchen. Ihre Lage schien alles andere als rosig. Sie hatten kaum noch Munition für den Raketenwerfer und auch ansonsten hatten sie einen Großteil ihrer Munition bei ihrer überaus hektischen Flucht verschossen. Aber es war keineswegs besser, sich zu ergeben. McBraid war bekannt für seine kreativen Foltermethoden.
“Was ist hier los?”
Eine ruhige Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie drehte sich um und blickte in Slaviks Gesicht. Seine Stirn war von Denkfalten durchzogen.
“Wir werden angegriffen. Ich hoffe sie haben das, was sie in Kanes Diensten gelernt haben, nicht vergessen. Es wird zu einem harten Kampf kommen.”
“Es ist ihr Krieg, Lieutenant, nicht meiner. Warum sollte ich mich einmischen?!”
“Weil sie für McBraid keinen Nutzen haben und er macht keine Gefangenen. Sollte er wissen, wer sie wirklich sind, würde er sie erst recht umbringen.”
Der alte Mann dachte eine Weile nach. Dann stimmte er mit sichtlichen Mißfallen zu.
“Aber mit ihrer kleinen Truppe werden sie keine Chance haben, wir brauchen etwas mit einem etwas größerem Kaliber.” Oxanna dachte eine Weile nach. Er hatte recht, aber woher sollten sie etwas nehmen, das Panzer zerbröselt? Plötzlich schoß es ihr durch den Kopf.
“Was ist mit dem Obelisken? Könnten wir ihn aktivieren?”
“Hmm...”, Slavik blickte nachdenklich, “Wir bräuchten Sprengstoff, um uns einen Eingang zur Basis zu verschaffen. Haben sie welchen?”
“Ja, aber nicht besonders viel....”
“Das macht nichts, wir müssen nur einen präzise Sprengung machen.”
Sofort schickte sie Kharr los, um den Sprengstoff zu holen.

In der Zwischenzeit rannte Slavik zurück in den großen Raum. Er ging schnurstracks auf das Bildnis Kanes und die Flagge zu. Er nahm beides behutsam von der Wand und legte sie in einen Metallbehälter, den er unter seinem Bett gelagert hatte. Wie bin ich da bloß reingeraten?! Dachte er wütend bei sind, doch im nächsten Moment verzog sich sein grimmiges Gesicht zu einem zufriedenen Lächeln. Sieht so aus, als könnte ich mein Versprechen doch noch halten, mein alter Freund...

McBraid saß im hinteren Teil seines privaten Geländefahrzeugs. Es sah ungefähr aus wie eine überdimensionierte Version eines Nod-Buggys, es War ca. 11 m lang und 4 m breit. Jedoch waren die Spezifikationen dieses Fahrzeugs speziell an die Bedingungen im Hochgebirge wie dem Himalaja angepasst waren. So hatte es z.B. eine starke Federung und ca. 10 cm lange Spikes an den Rädern. Natürlich war die “Konquistador”, wie er es getauft hatte, auch wesentlich besser bewaffnet. Es verfügte über zwei Vulcan- Schnellfeuerkanonen an den Seiten und eine Raketenabschussrampe auf dem Dach. Außerdem hatte es einen 6-Rad-Antrieb.
Er freute sich schon, die Tochter desjenigen, der ihn einst so schrecklich entstellt hatte, endlich in die Finger zu kriegen und sich an ihr zu rächen. Es würde ihm endlich die Genugtuung verschaffen, nach der er sich schon so lange sehnte.
Er erwartete keinen allzu großen Widerstand, schließlich hatte er eine ganze Division seiner besten Truppen und 2 Tick Tanks mit sich und außerdem würden sie an der alten Hütte mit einem Untergrund-BMT zusammentreffen. Und welchen Widerstand hatten sie zu erwarten? Eine Truppe von 15 verwirrten Soldaten und einen alten Mann, falls letzterer nicht schon tot war. Es würde ein kurzes und brutales Gemetzel. Bei dem Gedanken an seinen Triumph lächelte er zufrieden.

“...2...1...0...und Zündung!” Eine lauter Knall ertönte, es folgte ein tiefes Grollen und schließlich war es wieder still. Oxanna erhob sich langsam hinter ihrer Deckung. Sie schritt auf das große Loch in der Wand zu. Es war dahinter stockdunkel und ihr wehte ein muffiger Gestank entgegen. Sie rümpfte die Nase.
“Oh, ist ihr verwöhntes Näschen, den Geruch von Öl und gefilterter Luft nicht gewöhnt?” Sie drehte sich wütend um und blickte in Slaviks zufrieden grinsendes Gesicht. Er wollte sie absichtlich auf die Palme bringen. Er testet mich! Dachte Oxanna bei sich. Er will feststellen, ob ich auch in Stresssituationen die Ruhe bewahren kann. Netter Versuch. Stolz seine Absicht durchschaut zu haben, schenkte sie ihm ein amüsiertes Lächeln.
“Oh doch. Ich frage mich nur, wie alt diese Luft ist.”
“Genau 30 Jahre, 2 Monate und 12 Tage. Zufrieden?”
“Vollkommen.”
“Er stieg durch das Loch in die Dunkelheit. Oxanna erwartete, daß er jeden Augenblick zurückkommen würde, da er nichts sehen konnte. Doch er meldete sich nicht. Schließlich wurde sie ungeduldig.
“Slavik? Ist bei ihnen da drinnen alles in Ordnung?”
Es kam keine Antwort. Sie wollte sich gerade in das Loch lehnen und nochmals nach ihm rufen, als plötzlich vor ihrer Nase ein Gesicht aus der Dunkelheit auftauchte. Sie wich erschrocken zurück.
“Tut mir leid, daß ich sie derart erschrecke, aber könnten sie wohl die Güte haben, mir meine Lampe zu holen?!”
Kharr rannte sofort los und brachte Slavik die alte Lampe. Er ging wieder ins Dunkel zurück. Als er so durch die große dunkle Halle, die einst der Fahrzeughangar war, schlich und an die Zeiten dachte, als hier noch reger Betrieb herrschte, hörte er plötzlich Schritte hinter sich. Er bog schnell um die Ecke und wartete bis sein Verfolger nahe genug war. Er sprang aus seinem Versteck und wollte ihn gerade zu Boden strecken, als er bemerkte, daß der Mann einer von Oxannas Soldaten war.
“Ich...äh...soll ihnen helfen, Sir.”
“Naja. Wollen wir mal sehen, ob sie mir behilflich sein können.”
Sie schlichen gemeinsam durch die Gänge und Räume der riesigen Anlage auf der Suche nach dem Energiekontroll-Terminal des Obelisken, der noch immer im Berg schlummerte. Nach 10 Minuten kamen sie in einen großen Raum. Die Lampen flackerten - Slavik hat inzwischen die Kontrollen für die Notbeleuchtung gefunden und diese aktiviert - und warfen ein gedämpftes Licht auf die ganzen Monitore und Terminals, von denen aus einst die gesamte Basis überwacht wurde. Aber alle Benutzerinterfaces waren offline, es galt also, die Energiezufuhr zur Kommandozentrale zu reaktivieren. Das bedeutete wieder einen Fußmarsch hinunter in das 2. Untergeschoß.

Oxanna lag in hinter einem Hügel, der ihr kaum Deckung bot. Sie starrte geradeaus auf den Horizont. Es würde jeden Augenblick soweit sein. Und plötzlich rief Kharr, der 2 Meter neben ihr lag.
“Alles in Deckung! Sie kommen!”
Und dann erkannte auch sie die Silhouetten der Soldaten und Panzer, die sich ihnen näherten. Sie verstärkte den Griff um ihr Gewehr. Na komm schon, McBraid! Ich warte!

“Sir, die Hütte ist in Sichtweite. Sollen die Panzer auf Gefechtsmodus wechseln und das Feuer eröffnen?”
“Ja. Feuer freigegeben.”
“Zu Befehl!” Der Komm-Offizier sprach einige Befehle in sein Funkgerät und erhielt die Bestätigung der beiden Tick Tanks. McBraid spähte durch das Panzerglas, von dem das Cockpit der “Conquistador” umgeben war. Er sah, wie die beiden Panzer die Grabzangen ausfuhren und langsam das Erdreich vor ihnen aushoben. Dann bewegten sie sich langsam in das gegrabene Loch, so daß nur noch das Heck aus dem Boden ragte, anschließend wurde der Geschützturm zurückgefahren, so daß er sich am Heck befand. Schließlich begannen die Panzer die ersten Salven auf die Stellung der Verräter abzufeuern.
Panzersoldat Mick Grayson hatte einige Übung im Erfassen und vernichten von Zielen, doch so etwas hatte er noch nie gesehen. Er hatte mit dem Zielcomputer die Hütte erfasst und anschließend das 200mm-Geschütz abgefeuert. Er konnte genau den Einschlag des Projektils beobachten, doch als sich der Rauch verzogen hatte, konnte er seinen Augen nicht trauen. Die Hütte stand fast unversehrt da. Sein Mund klappte auf und er starrte unentwegt auf den Monitor des externen Zielerfassungs-Sensors. Wie kann so etwas nur möglich sein? Das war ein 97%er Treffer! Ein Traumschuß! Er war völlig ratlos wie eine derart armselige Hütte einem 200mm-Projektil widerstehen konnte. Schließlich aktivierte er das Komm. “Colonel McBraid, Sir. Es ist unglaublich, aber diese Hütte hat 2 direkten Treffern standgehalten.”
“Was?” McBraid hörte sich sehr wütend an. “Wie kann das möglich sein? Anscheinend haben die sich nicht umsonst diesen Ort ausgesucht...”
Grayson sah auf seinem Monitor, wie die Fußtruppen vorrückten. Das bedeutete, daß sie in wenigen Minuten nicht mehr mit schweren Geschützen feuern durften, da sonst ihre eigenen Leute in die Schußlinie gerieten. Doch plötzlich hörte er ein aufdringliches Piepen, eine der Alarmleuchten blinkte rot auf.
Oh Scheiße! Der Flugkörperalarm!! dachte Grayson und es war auch sein letzter Gedanke.

Aus der Entfernung sah Oxanna eine Explosion. Sie hatten einen Der Panzer erwischt, doch sämtliche Raketen waren verschossen, ein Tick Tank war nur mit 2 Raketen zu knacken. Dann erkannte sie die anstürmenden Soldaten.
“Feuer eröffnen! Aber versucht Munition zu sparen!”
Sofort war die Luft erfüllt vom Lärm der Maschinengewehre. Plötzlich schlug 10 Meter neben ihr ein Projektil ein, 2 ihrer Soldaten wurden von der Druckwelle durch die Luft geschleudert. Verdammt! Wo bleibt dieser Obelisk? Wie auf Befehl hörte sie plötzlich Slaviks Stimme aus dem Kommgerät an ihrem Gürtel.
“Lieutenant, wir haben den Obelisken bald einsatzbereit, aber er hat nur genug Saft für 1 oder 2 Schüsse, suchen sie sich ihre Ziele also gut aus!”
“Verstanden, wenn er bereit ist, dann zerstören sie diesen Tick Tank, der macht uns ganz schon zu schaffen.”
“Ich melde mich wieder.”

“Wie sieht‘s draußen aus, Sir?” Die Stimme des jungen Soldaten klang etwas beunruhigt.
“Wie es bei jedem Gefecht aussieht.”
Slavik war überrascht, daß er sich nach all den Jahren immer noch mit diesem Kabelsalat zurechtfand. Sie waren fast am Ziel. Der Obelisk war so gut wie einsatzbereit.
“OK, hören sie mir jetzt gut zu”, er wandte sich dem jungen Soldaten zu, “Der Obelisk muss sich jetzt erst aufladen, bevor wir ihn einsetzen können. Ich werde nach draußen gehen. Auf mein Kommando aktivieren sie den Obelisken über diesen Terminal da. Verstanden?” Sein Zeigefinger zeigte auf eines der Interfaces.
“Klar und deutlich, Sir.”
“Gut.”
Slavik lief nach draußen. Er versicherte sich, daß er seinen Dolch immer noch bei sich hatte und rannte dann aus der Hütte.

Oxanna sah Slavik, der auf sie zukam. “Was machen sie hier?”
“Ich dachte ich könnte ihnen behilflich sein.”
McBraids Soldaten waren jetzt nur noch ein paar Meter entfernt. Slavik hob seinen Kopf kurz an und warf einen Blick auf die heranstürmenden Soldaten.
“Sie haben ja gar keine Waffe!” Oxanna klang erschrocken.
“Ich BIN eine Waffe.” gab Slavik selbstsicher zurück.
Er zog seinen Dolch, erhob sich mit unglaublicher Gelassenheit, blickte auf die Soldaten, die bereits auf ihn anlegten und startete plötzlich los. Oxanna hatte noch nie etwas derartiges gesehen. Slavik rannte einfach auf die Soldaten zu, ließ seinen Dolch herumwirbeln und plötzlich fielen einige der Soldaten blutüberströmt in den Schnee. Die anderen waren derart überrascht von Slaviks Angriff, daß sie völlig vergaßen, auf ihn zu schießen. Slavik hob das Gewehr eines toten Soldaten auf und gab einige gezielte Salven auf die Angreifer ab. Er machte kurzen Prozess. Diejenigen, die rechtzeitig in Deckung gehen konnten, zogen sich langsam zurück. Oxanna wollte gerade jubeln, als sie plötzlich ein leichtes Beben spürte. Es nahm immer mehr zu und plötzlich begriff sie, warum die Soldaten wieder Abstand nahmen.
“Vorsicht! Untergrund-BMT!!!” schrie sie ihren Männer zu. Doch es war bereits zu spät. Wenige Augenblicke später kam ein großes rotes Geschoß nur 3 Meter von Slavik entfernt aus der Erde empor. Dieser wurde von den Füßen gerissen. Am Heck des Fahrzeugs öffnete sich eine Luke und es Stürmten 10 Soldaten aus seinem Inneren hervor. Slavik, der nun schon wieder auf den Beinen stand, erhob sein Gewehr und schoß auf die Angreifer, lud zwischendurch kurz nach und schoß dann weiter. Bald hatte er den ganzen Trupp niedergestreckt und war völlig unverletzt. Oxanna stand mit offenem Mund da und war dermaßen überrascht von Slaviks Fähigkeiten, daß sie beinahe die Schlacht um sich herum vergaß. Unglaublich! Er ist der perfekte Kämpfer. Plötzlich wurde sie von Kharr aus ihren Gedanken gerüttelt.
“Lieutenant, sehen sie nur. Der Panzer rückt vor!”
Sie drückte einen Knopf ihres Funkgeräts und fragte Private Houston, wie lange er noch brauchen würde.
“Der Obelisk ist jetzt zu 98% aufgeladen. Wir müßten in wenigen Sekunden schußbereit sein.”
“Perfektes Timing!”
Sie blickte in Slaviks Richtung...und sah niemanden. Slavik war verschwunden. Und plötzlich fiel ihr auf, daß das Untergrund-BMT auch verschwunden war./i> Er wird doch nicht... weiter kam sie nicht. Einer ihrer Soldaten rief plötzlich.
“Seht euch das an!”
Alle blickten in Richtung des anrückenden Panzers und sahen wie wenige Meter vor diesem das Untergrund-BMT aus dem Erdboden hervorschoß. Slavik sprang aus dem Fahrzeug und rannte davon. Der anrückende Panzer erkannte die Gefahr zu spät und fuhr direkt in das BMT. Auf einmal ertönte ein lautes Grollen. Sie sah zum Berg hoch und sah, wie ein großer Teil des Felsens abbrach und zu Boden fiel. Und dann erkannte Oxanna eine riesige schwarze Silouette deren Spitze anfing hell zu leuchten. Es folgte ein ohrenbetäubendes Summen, anschließend ertönte ein lautes Zischen. Dann kam es zu einem Knall und Oxanna sah einen Feuerball aufsteigen. McBraids Soldaten blickten verdutzt zu dem Obelisken hoch, der wie aus dem Fels zu wachsen schien, warfen ihre Waffen hin und ergaben sich. Houston hatte es geschafft! Sie hätte am liebsten vor lauter Euphorie laut aufgeschrien, doch schon kam der nächste Schreck.
Sie entdeckte Colonel McBraids privates Kommandofahrzeug. Ach du dickes Ei! Slavik hatte es scheinbar auch bemerkt. Er durchforstete das Wrack des Panzer nach etwas bestimmten. Plötzlich hob er das MG des Bordschützen hoch, richtete es auf das Cockpit des anrückenden Geländefahrzeugs und ging schießend darauf zu. Doch die Cockpit-Verglasung schien aus einem kugelsicheren Material zu bestehen. Als Slavik das bemerkte, zerschoß er alle 6 Reifen des Fahrzeugs, es kam zum Stillstand.
Oxannas Männer stürmten inzwischen auf die verbliebenen Soldaten McBraids zu und entwaffnete sie. Auch sie selbst rannte in Richtung Slavik. Unglaublich! Dieser alte Mann hat doch tatsächlich die Schlacht für uns fast im Alleingang gewonnen! Ihre Männer hatten den “Monster-Buggy” von Colonel McBraid umstellt, eine Luke öffnete sich und einige Soldaten und Offiziere stiegen aus dem Gefährt. Und als letzter erschien Colonel McBraid. Er versuchte krampfhaft irgendwie überlegen zu wirken. Slavik ging ganz gelassen auf ihn zu, er fixierte ihn mit eisigem Blick. 20 cm vor McBraid blieb er stehen. Er sah ihn 4 lange Sekunden an. Schließlich öffnete McBraid den Mund.
“Nur zu. Töten sie mich! Ich bin bereit für Kane zu sterben.”
Slavik lächelte amüsiert. Ein eiskaltes Lächeln. Er hatte diesen abgedroschenen Spruch satt.
“Sagen sie mir eins, Colonel: Sind sie Kane jemals begegnet?”
McBraid sah etwas ratlos aus. Schließlich straffte er sich wieder und sagte etwas mit fast überzeugend klingender Stimme.
“Kane lebt im Tode!”
Slavik schüttelte langsam den Kopf. Sein kaltes Lächeln war unverändert.
“Oh nein. Sie sterben für diesen Verräter Hassan, nicht für Kane.” sagte er mit eiskalter Stimme. Oxanna bekam eine Gänsehaut. Slaviks Lächeln verschwand. Es machte eine schnelle Bewegung. McBraids Augen weiteten sich, sein Mund öffnete sich zu einem Schrei, doch es herrschte Stille. Mit , vor Schreck verzerrtem Gesicht fiel er auf die Knie. Erst jetzt erkannte Oxanna den großen Roten Fleck auf seiner Schwarzen Uniform. Er fiel zu Boden und der Schnee um ihn färbte sich rot.
Slavik ging ohne ein Wort zu sagen zurück in seine Hütte.

Slavik stand wieder am Fenster und starrte hinaus in die Abenddämmerung. Es war ein aufregender Tag gewesen. So wie die Tage damals, als er noch für Kane kämpfte.
Oxanna betrat die Hütte, er drehte sich zu ihr um. “Was gibt es neues von der Front, Commander?”
“Gute Neuigkeiten. Captain Choukon und seine Leute sind nun auf unserer Seite. Sie haben erkannt, daß wir die wahre Bruderschaft von Nod sind.”
“Das ist schön für sie.”
“Heißt das, sie wollen uns nicht helfen?” Oxanna war sich sicher, daß er seine Meinung geändert hatte. Immerhin hatte er bei der Schlacht hingebungsvoll gekämpft.
“Nein. Ich habe ihnen nur geholfen, weil wir einen gemeinsamen Feind hatten. Da dieser nun aus dem Weg ist, sehe ich keinen Grund, unsere Zusammenarbeit, so effizient sie auch war, fortzusetzen.”
Oxanna war schwer enttäuscht. Aber sie konnte ihn nicht zwingen.
“Nun gut, es ist ihre Entscheidung. Aber bitte sehen sie sich diese Nachricht an.”
“Was ist das für eine Nachricht? Sie ist von meinem Vater. Er wollte, daß ich sie ihnen überreiche, falls er sterben sollte.”
“Gut. Danke.” Slavik nahm das Datapad und ging in einen kleinen Raum. Er setzte sich auf eine Stuhl, legte das Datapad auf den Tisch und aktivierte die Nachricht.
Der Monitor flackerte und es erschien das Gesicht seines alten Freundes Kray. Er sah alt aus, die vergangenen 30 Jahre waren nicht spurlos an ihm vorbeigegangen. Er sah in das Aufnahmegerät und lächelte. Slavik erinnerte sich an dieses Lächeln.
“Hallo, alter Freund.”, begann er schließlich, “Wie es aussieht habe ich es doch tatsächlich fertiggebracht für Kane zu sterben. Wenn du diese Nachricht erhältst, dann hat Oxanna dich gefunden und meinen letzten Willen erfüllt. Sie ist ein gutes Mädchen.”, Krays Gesichtsausdruck wurde ernst, “Ich weiß, daß du damals nach Sarajevo geschworen hast, nie mehr in den Krieg zu ziehen. Doch ich bitte dich, dir wenigstens meine Bitte anzuhören.
Es ist so: Damals, als wir uns trennten und eigene Wege gingen, zog ich lange Zeit einfach so umher. Eines Tages kam ich zu einem Dorf. Ich wurde von den Leuten dort aufgenommen und versorgt. Doch damit hatte ich ihr Todesurteil unterzeichnet. Ein Aufklärungsteam der GDI-Marines entdeckte mich und die GDI verwechselte die Gastfreundlichkeit der Leute mit Kollaboration. Sie griffen das Dorf an und vernichteten es. Alle Bewohner wurden getötet, oder zumindest fast alle.
Als ich ein paar tage in das Dorf zurückkehrte sah ich die Verwüstung und die Toten. Man hatte sie einfach liegen gelassen. Ich kam in ein Haus und entdeckte eine Frau, sie war schwer verletzt und ich erkannte, daß sie nicht mehr lange leben würde. Sie erkannte mich wieder und flehte mich an, mich um ihre kleine Tochter zu kümmern. Dieses kleine Mädchen war Oxanna. Wenn du diese Nachricht bekommst, kann ich nicht mehr auf sie achtgeben. Ich bitte dich als Freund, sie zu beschützen und alles in deiner Macht stehende zu tun, damit ihre Eltern nicht umsonst gestorben sind. Ich habe dies einst beim am Grab ihrer Mutter geschworen und bitte dich nun, diesen Schwur zu erfüllen.
Ich danke dir, alter Freund.” Kray lächelte noch einmal kurz, dann verschwand sein Gesicht und der Monitor wurde wieder schwarz.
Slavik starrte auf den Monitor. Er saß einfach nur da und starrte darauf.
Oxanna wartete nun schon 20 Minuten und Slavik hatte noch nichts von sich hören lassen. Langsam begann sie, sich Sorgen zu machen. Sie saß im Schnee vor der Hütte und wartete darauf, daß Slavik aus der Tür geschritten kam. Sie hatte die Hoffnung schon fast verloren, als sich die Tür plötzlich bewegte. Sie öffnete sich mit einem Quietschen und aus der Hütte schritt Slavik. Doch er sah vollkommen verändert aus. Sein Haar war jetzt kurz geschnitten und nach hinten gekämmt, sein langer Bart war verschwunden. Er kam auf sie zu und sprach mit selbstsicherer Stimme.
“Ich werde ihnen helfen, aber unter 2 Bedingungen...”
“Und die wären?”
“Erstens: Wir nennen uns ab sofort nicht mehr ‚Besahi Nod‘. Es gibt nur eine Bruderschaft von Nod, die wahre und die sind wir.
Und zweitens: Sie besorgen mir eine Commander-Uniform. Ich werde eine Armee wohl kaum in diesen alten Lumpen führen können.”
Oxanna mußte schmunzeln. “Wie sie wünschen, alter Mann.”
“Ach ja: und sie werden mich ab sofort mit ‚Commander Slavik‘ oder ‚Sir‘ anreden. Ich glaube als Commander in Kanes Armee hab ich mir das verdient.”
“Ich dachte Slavik sei tot.” Slavik lächelte.
“Nun, er ist wiederauferstanden!”
“Wie sie wünschen, Commander...Slavik.”
“Wenn es sonst noch etwas gibt, das ich wissen sollte, dann raus damit.”
“Ja, da wäre noch etwas: Mein Vater gab mir eine weitere Aufzeichnung, es ist eine Transmission, die er vor einigen Monaten erhalten hat. Bis auf ihn hat sie noch niemand gesehen.”
“Nun gut, dann werden wir sie uns mal ansehen.”

Wenige Minuten später standen Slavik, Oxanna und Kharr im Inneren der Hütte und sahen erwartungsvoll auf den Monitor des MCI (Mobiles CABAL Interface). Der Monitor flackerte und es erschien ein Bild. Zuerst wußte Oxanna nicht, was auf dem Bild zu sehen war, doch dann erkannte sie, daß es sich hierbei um jemanden handelte, der in einem Sessel saß, der vom Aufzeichungsgerät wegedreht war. Man konnte nur einen Arm erkennen, der Rest war hinter dem Sessel verborgen. Dahinter war ein großer Bildschirm zu erkennen, auf dem gerade eine Rede von General Hassan abgespielt wurde. Sie lauschte aufmerksam Hassans Worten.
“...und ich gelobe hiermit feierlich, Kanes Botschaft in die Welt hinauszutragen und diejenigen, die ihn kaltblütig ermordet haben zu vernichten. Kane lebt im Tode!...” plötzlich begann der Unbekannte zu sprechen. Seine Stimme klang ruhig und hatte einen sarkastischen Unterton.
“Oh nein, Kane ist nicht tot. Er lebt und er wird zurückkommen, bald.” Oxanna sah zu Slavik und erkannte Verwunderung in seinem Gesicht. Er hörte dem Unbekannten aufmerksam zu. Der Mann in der Aufzeichnung sprach weiter.
“Und wenn er zurückkommt, dann wird er Rache nehmen an all denen, die sich ihm einst und heute in den Weg stellen. Und dann werden du und all die anderen Abtrünnigen erfahren, wie es ist, Kanes Zorn zu spüren zu bekommen!” Seine Stimme klang nun wütend und war voller Haß. Plötzlich erhob er seine Hand und schleuderte einen Dolch auf den Bildschirm, der in lauter Scherben zerbarst. Der Sessel drehte sich zum Aufnahmegerät hin. Der Körper war sichtbar, doch der Kopf lag im Schatten, beabsichtigt, wie es schien. Er fuhr mit ruhiger Stimme fort.
“Und all diejenigen, die ihm in den langen Jahren der Verfolgung treu geblieben sind werden mit ihm über die Tiberium-Zukunft herrschen!” Dann endete das die Aufzeichnung. Oxanna blickte zu Slavik. Er starrte immer noch auf den Bildschirm und murmelte etwas wie “...diese Stimme...” oder “...wie ist das möglich...”. Doch dann entspannten sich seine Züge und er lächelte zufrieden.
“Was hat das zu bedeuten, Commander?” fragte Oxanna und auch Kharr blickte neugierig auf ihn. Slavik sah sie mit zufriedener Miene an.
“Bald”, sprach er mit sanfter Stimme, “werden auch sie erfahren, was es bedeutet, Kane zu dienen.”
“Äh, Commander...sie wollen doch nicht etwa sagen, daß...”
“Doch. Er ist zurückgekehrt!”